Welche konzeptionellen Weichenstellungen müssen Unternehmen vornehmen?
Betrachtet man die Darstellungsformate, so ist die Digitalisierung in der Unternehmensberichterstattung weit fortgeschritten. Schon heute werden Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichte durchgängig als PDFs und oftmals als Online Reports (HTML) präsentiert. Doch die technologischen Entwicklungen gehen weit darüber hinaus. Sie verändern die Erstellung, Verbreitung und die Analyse der Unternehmensberichte. Im Vordergrund steht damit nicht mehr allein die digitale Darstellung der Inhalte, sondern vielmehr auch die Verarbeitungsprozesse und das maschinelle Lesen des Datenmaterials. Die automatisierte Verarbeitung strukturierter Daten für die Nutzer spart nicht nur Zeit und Geld, sondern ermöglicht eine hohe Vergleichbarkeit und bessere Datenanalyse. Genau dies fordert der europäische Gesetzgeber und streicht den Nutzen eines harmonisierten elektronischen Formats für Emittenten, Anleger und Behörden heraus.
Zur Operationalisierung bedarf es eines Standards, und hier kommt ESEF ins Spiel. ESEF ist ein offener, plattformunabhängiger internationaler Standard für die elektronische Speicherung, Verarbeitung und Kommunikation finanzieller und zunehmend auch nichtfinanzieller Berichterstattung. Bei ESEF handelt es ich um ein XHTML mit eingebettetem XBRL. Die Sprache wird auch iXBRL genannt. Aufgrund der EU-Regulierung erhält ESEF eine enorme Bedeutung und wird neben den bekannten Formaten PDF und HTML zu einem weiteren Berichtsformat.
Was bedeutet die regulatorische Vorgabe für publizierende Unternehmen und wo ist für eine erfolgreiche Umsetzung anzusetzen? Wie so oft stellt sich die Herausforderung, zunächst fundamentale Weichenstellungen vorzunehmen, bevor die operative Umsetzung isoliert gestartet wird. Es gilt,
Geschäftsberichte richten sich an zahlreiche Anspruchsgruppen, die sehr unterschiedliche Informationsbedürfnisse aufweisen. Während Kunden, Mitarbeitende, Lieferanten oder die Öffentlichkeit primär Interesse am Unternehmen, an seinen Produkten und am Führungsteam haben und somit die ansprechende Aufbereitung der Inhalte zählt, zeichnet sich der Kreis der kapitalmarktorientierten Anspruchsgruppen wie Investoren und Analysten durch tiefergehende Anforderungen an den Geschäftsbericht aus. Neben dem leichten, zeit- und ortsunabhängigen Zugriff auf den Geschäftsbericht ist ihnen wichtig, dass eine möglichst einfache Weiterverarbeitung der Daten unter Sicherung der Integrität gewährleistet ist. Die Klärung der wichtigsten Adressaten des Geschäftsberichts beeinflusst also entscheidend, wie dieser aufbereitet wird. Ist die Zielgruppenpriorisierung erfolgt, sollte die Reportingstrategie festgelegt werden. Welche Kanäle plant das Unternehmen zu bespielen – Print und/ oder Online? Welcher Kanal ist «leading»? Ist ein ansprechendes Design entscheidend und soll dieses durch ein professionell gestaltetes PDF oder einen aufwendigen, kanalgerechten Online Report oder beides transportiert werden? Kurzum: Soll der Geschäftsbericht für das Unternehmen der europäischen Tradition entsprechend als «Visitenkarte» mit hohem Anspruch an Optik, Grafiken und Bilder oder als Pflichtübung für den Regulator verstanden werden? Diese Klärungen sind elementar und setzen die wichtigen Leitplanken für die Art und Weise, wie ESEF/XBRL umgesetzt werden soll.
Geht man davon aus, dass der Geschäftsbericht in Europa weiterhin als strategisch relevantes Instrument der Unternehmenskommunikation für einen breiten Adressatenkreis eingesetzt wird, stehen publizierende Unternehmen vor der Herausforderung, ein zusätzliches Berichtsformat umzusetzen, da ESEF darstellerisch klar technische Grenzen gesetzt sind. Dies bedeutet zusätzliche Komplexität in einem ohnehin unter hohem Zeitdruck stehenden Projekt. In Bezug auf die ESEF/XBRL-Umsetzung gilt es, weitere Basisentscheide zu treffen:
Der Bolt-on-Ansatz bietet die typischen Vorteile des Outsourcings (Expertenbeizug, zeitliche Entlastung), hat aber klare Schnittstellennachteile. Aufgrund des fehlenden integrierten Ansatzes und der nachgelagerten Arbeitsprozesse ist eine schnelle Bewältigung von Änderungen herausfordernd, verursacht Kontrollaufwand und damit jährlich wiederkehrende Dienstleistungskosten. Beim Built-in-Ansatz liegt der Vorteil bei der einzigen Datenquelle (Single Source of Truth) und der zeitgleichen, automatisierten Bearbeitung, was allerdings die Anwendung eines dazu fähigen Tools erfordert. Es ist davon auszugehen, dass sich die Basis-Taxonomie (IFRS und ESMA) jährlich ändern wird, so dass die publizierenden Unternehmen ihre Taxonomie-Erweiterungen jedes Jahr analysieren und inhaltlich und strukturell überarbeiten müssen. Die meisten Unternehmen sind deshalb für ihre Berichterstattung auf der Suche nach einem standardisierten, integrierten Ansatz mit offenlegungssicheren Tools, die sie sehr effektiv verwalten können. Seitens des Regulators ist aktuell bekannt, dass bereits ab 2020 auch der Konzernanhang und der Lagebericht im Format XHTML eingereicht werden müssen – zusätzlich zu den getaggten Primary-Tabellen und ab 2022 den getaggten Notes. Es ist davon auszugehen, dass der zunehmende Druck seitens der Stakeholder dazu führen wird, dass auch Halbjahresberichte und Quartalsmitteilungen entsprechend aufbereitet und ohne Zeitverzögerung veröffentlicht werden. Für publizierende Unternehmen bedeutet dies, dass systemgestützte und automatisierte Prozesse erfolgskritisch werden. Dies alles spricht für den Built-in-Ansatz.